02 - 3Land

Drei Städte - eine Zukunft
  • Projektgruppe

    selbstständiges Einzelprojekt

  • Projektträger

    Kanton Basel-Stadt (CH)
    Huningue (FR)
    Weil am Rhein (DE)
    Saint-Louis Agglomération (FR)
    Département du Haut-Rhin (FR)
    Landkreis Lörrach (DE)
    Saint-Louis (FR)

Grossstädte wie London, Hamburg und Kopenhagen erobern seit einigen Jahrzehnten ihre Flussufer zurück, indem sie ehemalige Hafen- und Industrieareale zu neuen attraktiven Stadtvierteln am Wasser umgestalten. Dies ist auch in der Agglomeration Basel zu beobachten. In den Hafen- und Industriegebieten des Dreiländerecks von Basel, Weil am Rhein (DE) und Huningue (FR) entsteht am Rhein auf 430 Hektar ein trinationaler Stadtteil mit Wohnraum und Arbeitsplätzen für bis zu 20.000 Personen, grosszügigen Grün- und Freiräumen und grenzüberschreitenden Verkehrsverbindungen. Das Potenzial für die Stadt-, Verkehrs- und Freiraumentwicklung ist gross und als trinationale Aufgabe einmalig in Europa.

Die Attraktivität der Agglomeration Basel ist seit etwa einem Jahrzehnt stark gewachsen. Neue Flächen für Wohnungen und Geschäfte werden benötigt. Gleichzeitig bedürfen Industriegebiete einer Umstrukturierung, um sie an die wirtschaftlichen Veränderungen des 21. Jahrhunderts anzupassen. Das stellt eine doppelte Chance für die Gebiete im Basler Norden dar. Das Rheinufer liegt dort direkt an der Grenze zu Deutschland und Frankreich. Es ist durch Hafenanlagen und Logistikstandorte geprägt und hat ein beachtliches Umnutzungspotenzial, das nur vollständig ausgeschöpft werden kann, wenn die Städte in der trinationalen Region ihre Zukunft gemeinsam planen. Die Grenzsituation macht die Rückeroberung der Uferflächen aber zu einer äusserst komplexen Aufgabe. Die realen Gegebenheiten der einzelnen Länder sind sehr verschieden. Die Gemeinden verfügen über unterschiedliche Gesetze, Planungskulturen, technische und finanzielle Mittel, Lebensstandards, Nutzungsarten und sozioökonomische Kontexte. Auch die Bedürfnisse und Möglichkeiten der Gemeinden sind nicht immer dieselben.

Eine trinationale Vision entsteht

Trotz dieser Unterschiede und Schwierigkeiten entstand Schritt für Schritt eine gemeinsame Vision. Im Jahr 2011 wird von dem niederländischen Architekturbüro MVRDV / Cabane / Josephy die Entwicklungsvision 3Land erstellt. Diese Studie machte bewusst, dass die drei im Gebiet präsenten Städte Huningue (FR), Weil am Rhein (DE) und Basel vor ähnlichen Herausforderungen standen: Die Weiterentwicklungen im Industriesektor brachten einerseits ungenutzte Gebiete mit sich, eröffneten zugleich aber die Möglichkeit der Transformation der Hafengelände und damit die bislang fehlende Erschliessung des Gebiets für die Bevölkerung mit dem öffentlichen Nahverkehr. Eine gemeinsame Planung zwischen Frankreich, Deutschland und der Schweiz für einen neuen grenzüberschreitenden Stadtraum auf beiden Seiten des Rheins war von nun an das Ziel. Konkretisiert wurde dies durch eine Planungsvereinbarung in 2012 zwischen den Grenzstädten im Gebiet. Die Vereinbarung definiert ehrgeizige Ziele wie eine gemeinsame exemplarische städtebauliche Entwicklung entlang des Rheins mit abgestimmten wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Nutzungen, ein für alle zugängliches Rheinufer, die Schaffung qualitativer Grünflächen und Freiräume sowie den Schutz von ökologisch wertvollen Naturräumen. Mit einer Masterplanstudie für den gesamten trinationalen Perimeter, dem sogenannten Raumkonzept, wurden in 2015 diese Ziele gefestigt. Entwickelt wurde die Studie von einer trinationalen Arbeitsgemeinschaft mit dem Architektur- und Stadtplanungsbüro LIN in der Federführung. Das Konzept stützt sich auf drei zentrale Themen, die auf unterschiedlichen Massstabsebenen ausgearbeitet wurden: Natur und Landschaft, Mobilität und über Grenzen hinweg abgestimmte Nutzungen und Städtebau. Grünflächen am Rhein und in den Entwicklungsarealen verleihen den neuen Quartieren Struktur und verbinden sie miteinander. Ein grenzüberschreitendes Verkehrsnetz soll die neu entstehenden Quartiere erschliessen und an die Agglomeration anbinden. Eine neue Rheinbrücke zwischen der Schweiz und Frankreich spielt dabei eine zentrale Rolle. Sie ist ausschliesslich für den Langsam- und öffentlichen Verkehr bestimmt. Die neuen Nutzungen entlang des Rheins sind als vis-à-vis konzipiert: Sie antworten jeweils auf die Nutzungen auf der anderen Rheinseite. So kann länderübergreifend ein harmonisches Gesamtbild entstehen. Neue Verbindungen mit den umliegenden existierenden Quartieren entstehen durch grüne Korridore. Sie helfen, die neue Teilstadt in den Bestand zu integrieren. Die identitätsstiftende Industrie- und Hafengeschichte wird nach der Umgestaltung und Umnutzung bewahrt, indem bedeutende, ortsbildprägende Elemente erhalten werden. Industriebrachen erlauben es, grosse Landschaftsprojekte zu realisieren - wie einen Park auf den Hafenbahngleisen am Klybeckquai in Basel oder wie die Erweiterung des Rheinparks in Weil am Rhein. Sie antworten damit auf mehrere Herausforderungen: die Öffnung und Durchgängigkeit der Rheinufer, den Schutz von ökologisch wertvollen Flächen und eine stärkere Vernetzung des öffentlichen Raums innerhalb dicht bebauter Quartiere. Doch wie kann diese Vision in einem grenzüberschreitenden Gebiet konkretisiert werden?

Eine Weiterentwicklung über Grenzen hinweg

Im Juni 2016 unterzeichneten die politisch Verantwortlichen des Projekts eine neue Planungsvereinbarung für die Jahre 2016 bis 2020. Darin halten die sieben Gebietskörperschaften und zwei Institutionen fest, wie sie das erfolgreich abgeschlossene Raumkonzept 3Land in den künftigen Planungsarbeiten weiterführen und konkretisieren werden. Mit der neuen Vereinbarung konzentrierten sich die Projektpartner*innen auf drei Schwerpunkte: eine trinationale Verkehrsstudie, ein Freiraum- und Naturschutzkonzept sowie das Zertifikat «nachhaltiges 3Land durable» zur nachhaltigen Arealentwicklung und Umsetzung. Die Verkehrsstudie konnte 2018 abgeschlossen werden und ist ein wichtiger Meilenstein für das Projekt. Sie zeigt auf, dass eine neue Rheinbrücke für den öffentlichen sowie der Fuss- und Radverkehr zwischen Huningue und Basel für die integrierte Stadtentwicklung und für eine hohe Lebensqualität zentral ist. Multimodale Mobilitätshubs an den Knotenpunkten der neuen Quartiere begünstigen einen autofreien Zugang. Vor Ort liegt der Schwerpunkt auf dem Fuss- und Radverkehr sowie den öffentlichen Verkehrsmitteln. Das Freiraum- und Naturschutzkonzept evaluierte die konkreten Anforderungen und die Rahmenbedingungen aus freiraumplanerischer und ökologischer Sicht für den öffentlichen Raum. Es legt Grundsätze für eine nachhaltige Stadtentwicklung fest. Neue Parks, Strassen und neue Brücken sehen jeweils Bereiche vor, die für den Schutz der Artenvielfalt reserviert sind. Die Studie schlägt die künftigen Freiflächen und Naturschutzzonen vor, die bei der Planung von Siedlungsgebieten zu berücksichtigen sind. Das Projekt 3Land rüstet sich so für die Herausforderungen des Klimawandels und der bedrohten Artenvielfalt. Das Zertifikat «nachhaltiges 3Land durable» führt gemeinsame Standards für eine nachhaltige Entwicklung im Projektperimeter 3Land ein. Es soll eine Vielzahl von unterschiedlichen Zielen erreicht werden, unter anderen durchmischte Nutzungen, die Vermeidung von Gentrifizierung, der Einsatz erneuerbarer Energien, die Beschränkung des motorisierten Individualverkehrs oder das Prinzip der Stadt der kurzen Wege. Das Label setzt Projekte, die den hohen Anforderungen genügen, durch eine entsprechende Kommunikation in Wert. Ausserdem ermöglicht es, dass sich Bauträger*innen, Gemeinden sowie Städteplaner* innen grenzüberschreitend über gute Praktiken austauschen.

Erste konkrete Schritte

Die Entwicklung des Grenzgebiets im Norden von Basel hängt nicht nur vom Willen der betroffenen Gemeinden ab, sondern auch von den Strategien privater Unternehmen, der Hafenbetreiber*innen sowie von Entscheidungen auf nationalstaatlicher Ebene. Die Umsetzung des IBA Projekts 3Land wird sich voraussichtlich bis zum Jahr 2050 hinziehen. Deswegen haben sich die Planungspartner*innen entschieden, innerhalb der gesetzten Vision Schritt für Schritt mit punktuellen, von den Gebietskörperschaften getragenen Projekten voranzuschreiten. Bisher entstand eine grenzüberschreitende Rheinuferpromenade von Basel nach Huningue. Zwei Landschaftsräume im Wechselspiel auf den beiden Seiten des Rheins in Huningue und Weil am Rhein und ein neues Quartier am Rheinufer in Huningue mit 300 Wohnungen befinden sich im Bau. Gleichzeitig werden die Bürger*innen durch Zwischennutzungen der Freiräume einbezogen. Die Stadt Basel stellte der Bevölkerung 2012 beispielsweise rund zwei Hektar am Klybeckquai für verschiedene Aktivitäten zur Verfügung (Bars, Sportplätze, Gemeinschaftsgärten, Clubs). Der bislang für die Bevölkerung unzugängliche Klybeckquai ist nun ein gut frequentierter Freizeit-, Gastro- und Kulturbereich und gehört zum gemeinschaftlichen Leben der Basler*innen, Weiler* innen und Huninguer*innen. Die so entstehende Dynamik schafft gute Voraussetzungen für die Akzeptanz der langfristigen Entwicklungen.

Interkulturelle Kompetenzen entstehen

Das Projekt 3Land behält seine ehrgeizigen Ziele nur deshalb fest im Blick, weil es einen klaren Prozess mit einer trinationalen Steuerung und Verwaltung gibt, die von der IBA Basel und dem Trinationalen Eurodistrict Basel (TEB) in den letzten zehn Jahren massgeblich mitgetragen wurde. Dabei spielen neben den planerischen Arbeiten auch Faktoren wie die Erarbeitung eines gemeinsamen Wissenstands und das Schaffen von Verständnis für die kulturellen Unterschiede für alle am Projekt Beteiligten eine wichtige Rolle. Auf der Grundlage von Planungsvereinbarungen zwischen den drei Ländern, die in einem vierjährigen Rhythmus erneuert wurden, konnten zunächst die Ziele und dann im Zuge des fortschreitenden Projekts die ersten konkreten Massnahmen festgelegt werden. Der Qualifizierungsprozess der IBA sorgte für ambitionierte Ziele und setzte einen straffen Zeitplan fest. Ein gemeinsames Budget gewährleistet die Machbarkeit. Das Projekt gliedert sich in Arbeitsund Lenkungsgruppen, in denen stets die Planungspartner* innen aus allen drei Ländern vertreten sind. In zahlreichen zweisprachigen Besprechungen werden die einzelnen Schritte gemeinsam diskutiert und angegangen. Zwar regelt ein gemeinsamer Rahmen die Leitlinien, doch die einzelnen Städte und Gemeinden können die Projektumsetzung weiterhin an ihre jeweiligen zeitlichen und finanziellen Möglichkeiten anpassen. Ein Protokoll zum Austausch von Informationen wurde festgelegt. Es ermöglicht den Planungspartner*innen, sich bei Entscheidungen von grosser Reichweite gegenseitig einzubeziehen und die einzelnen Projekte aufeinander abzustimmen. Den Unterschieden in der Planungskultur der drei Länder tragen trinationale Teams Rechnung. So konnten sich interkulturelle Kompetenzen, ein gegenseitiges Verständnis für die jeweilige Arbeit sowie ein Vertrauen in die Partnerschaft ausbilden. Auch die Bevölkerung ist am Prozess beteiligt. Nach der Fertigstellung des Raumkonzepts im Jahr 2015 hatten die Bürger*innen der drei Länder die Möglichkeit zur Mitwirkung. Mit zahlreichen Veranstaltungen konnten viele Vorschläge gesammelt werden, die bei der Konkretisierung des Projekts Berücksichtigung fanden. Weiterhin wird bei wichtigen Meilensteinen innerhalb des Projekts die Bevölkerung einbezogen. So sammelte man etwa Wünsche und Anforderungen bei der Umgestaltung des Rheinparks in Weil am Rhein mittels eines Instruments für die aktive Beteiligung der IBA Basel, dem IBA KIT. Die regelmässigen Projektpräsentationen der IBA Basel (Projektschau 2013, Zwischenpräsentation 2016, IBA Basel Expo 2020) boten dem Projekt 3Land den willkommenen Anstoss, sich öffentlich zu präsentieren und in Kontakt mit der interessierten Bevölkerung zu treten.

Ein Projekt im Dienst des gesamten trinationalen Raums

Das Projekt 3Land bietet eine gemeinsame Vision für eine grenzüberschreitende Entwicklung. Aufgrund der Zusammenarbeit sowie der durch das IBA Label gewonnenen Sichtbarkeit und Qualität stärkte und stärkt das Projekt die Initiativkraft der Gebietskörperschaften, fördert den Austausch zwischen den Gemeindeverwaltungen und animiert private Akteur*innen, sich einzubringen. Das Projekt brachte verschiedene weitere Projekte der Agglomeration zusammen. Hierzu zählen beispielsweise das Projekt IBA Rheinliebe, die Renaturierung der Flussufer der Wiese, aber auch partizipative Projekte wie IBA KIT, Extravakant, La baustell und Zoom, die im Projekt integriert waren. Das trinationale Projekt 3Land entsteht auf einer Fläche, die so gross ist wie der historische Stadtkern von Basel. Der grenzüberschreitende Perimeter zwischen der Dreirosenbrücke und der Palmrainbrücke, der früher nicht gut durchlässig und nur schlecht an den übrigen städtischen Raum angebunden war, wird nun neues Bindeglied zwischen den Quartieren der Agglomeration. So profitiert das gesamte trinationale Gebiet vom Projekt.

Perimeter

Gebiet entlang der beiden Rheinufer zwischen der Dreirosenbrücke und der Palmrainbrücke, 430 ha

Hinweis: Aktuelle Dokumente und Informationen sind auf der Projektwebsite abrufbar.

 

Dieser Artikel ist ein Auszug aus der IBA Fachpublikation «Gemeinsam Grenzen überschreiten».