33 - IBA Rheinliebe

Entstehung eines grenzüberschreitenden Landschaftsparks am Rhein
  • Projektgruppe

    IBA Rheinliebe

  • Projektträger

    Kanton Basel-Stadt (CH), Bad Bellingen (DE), Bad Säckingen (DE), Efringen-Kirchen (DE), Grenzach-Wyhlen (DE), Huningue (FR), Kembs (FR), Möhlin (CH), Mumpf (CH), Rheinfelden (CH), Rheinfelden (Baden) (DE), Rosenau (FR), Schwörstadt (DE), Stein im Fricktal (CH), Village-Neuf (FR), Wallbach (CH), Wehr (DE), Weil am Rhein (DE), Birsfelden (CH) und Muttenz (CH), Projekt Birspark Landschaft), Kanton Aargau (CH), Saint-Louis Agglomération (FR), Landkreis Lörrach (DE)

Der Rhein ist ein bedeutender Landschaftsraum im Herzen der trinationalen Agglomeration. Wie kann der Fluss als Hauptachse der Region gestärkt, zu einem vielfältigen Freizeit- und Naturraum, zu einem Identifikationsträger werden? Dieser Herausforderung haben sich 20 Gemeinden und Städte in der Projektgruppe IBA Rheinliebe gestellt.

Der Rhein ist verbindendes und trennendes Element zugleich. Er galt lange als natürliche Barriere und Grenze in der trinationalen Region Basel. Oft kehrte man ihm den Rücken zu, statt ihn als gemeinsamen Lebensraum zu entdecken. Verwaltungsgrenzen und historische Ereignisse haben den Rhein isoliert. Industriegebiete, Verkehrswege oder dichtes Ufergehölz trennten ihn vom Siedlungsgebiet. Das Rheinufer war für die Bevölkerung oft nur teilweise zugänglich. Das steigende Bewusstsein für die Rolle der Landschaft im städtischen Gefüge mit hoher Bevölkerungsdichte sowie die beginnende Sensibilisierung für die Umwelt führten zu einem Sinneswandel in Bezug auf den Fluss. Daraus resultierten zahlreiche Ideen für die Aufwertung der Uferlandschaft, die insbesondere die ökologischen und freizeitbezogenen Aspekte des Rheins in den Vordergrund rückten. Sechs Projekte, die 2011 nach dem Projektaufruf für die IBA Basel ausgewählt worden waren, lagen der Initiierung der IBA Rheinliebe zugrunde. Sie bezogen sich alle auf die Aufwertung der Rheinufer und die Verbesserung deren Zugänglichkeit. Die Ideen reichten von der Schaffung eines neuen grenzüberschreitenden Rad- und Wanderwegs im Rahmen der Transformation des ehemaligen Hafens St. Johann zwischen Basel und Huningue (FR) über die Verbesserung der Verbindung des Ortszentrums Bad Bellingens (DE) hin zum Rhein bis zu einem erweiterten Rheinuferrundweg zwischen den beiden Städten Rheinfelden (CH / DE) und ihrer Nachbargemeinden. All diese Initiativen wollten dazu beitragen, die Lebensqualität am Fluss zu steigern. Eine Vision für den gesamten Rheinabschnitt fehlte jedoch. Die IBA Basel regte daher eine Gesamtschau an. So entstand aus den einzelnen Projekten ein gemeinsames Leitbild für den gesamten Rheinabschnitt zwischen Bad Säckingen (DE) / Stein (CH) und Bad Bellingen (DE) / Kembs (FR) als Grundlage für weitere gemeinsame Projekte. Ziel war die Wiederbelebung der gemeinsamen Kultur, des Zusammengehörigkeitsgefühls und der Liebe für den Rhein.

Personifizierung des Rheins für ein gemeinsames Projekt

Für einige Gemeinden, die es gewohnt sind zusammenzuarbeiten, ist der grenzüberschreitende Austausch nicht neu. Für andere ist der nachbarschaftliche Dialog nicht selbstverständlich. Daher stellte sich die Frage, wie diverse Akteur*innen zusammengebracht werden können, um den grenzüberschreitenden Landschaftspark entlang der Rheinufer kooperativ und konzertiert zu gestalten. Der Prozess der gemeinsamen Annäherung an den Rhein begann 2013 mit einer ersten, von der IBA Basel in Auftrag gegebenen Studie der Agenturen rabe landschaften und Station C23, die den Rhein mit dem Narrativ der Rheinliebe belegt. Die Geschichte beschreibt den Rhein als einen «kultivierten Gentleman ». Dieser möchte bewundert werden und verführen, vor allem aber die Menschen zusammenbringen und die Rheinliebe entfachen. Diese grundlegende Studie verdeutlicht die besonderen räumlichen Gegebenheiten der trinationalen Rheinlandschaft, deren Entwicklung eine wesentliche Rolle beim Entfachen der Rheinliebe spielt. In der Tat prägt der Rhein das gesamte Gebiet von Bad Säckingen (DE) / Stein (CH) bis Bad Bellingen (DE) / Kembs (FR) und darüber hinaus. Er kann von den ihn umgebenden Hügellandschaften aus bewundert werden und die Umrisse der Berge sind vom Fluss aus zu erkennen. Im Narrativ heisst das die «Bewunderungslandschaft». Die Rheinufer sind jedoch sehr unterschiedlich. Bisweilen ist das Wasser in Reichweite, manchmal ist das Ufer steil und anderswo wird der Zugang zum Wasser wiederum stark durch Pflanzenwuchs erschwert. Die Räume, an denen man den Fluss hören und spüren kann, werden zur «Verführungslandschaft». Die «Alte Liebe» bezeichnet im Narrativ die ehemaligen Auengebiete, die regelmässig vom Rhein überflutet wurden, bevor Johann Gottfried Tulla den Fluss im 19. Jahrhundert begradigte. Die Geschichte dieser Liebesbeziehung zwischen den Menschen und dem Rhein ist die Grundlage eines Kommunikations- und Vermittlungsprozesses in der trinationalen Region, für die der Fluss ein massgebliches Identifikationsmerkmal ist und der dadurch zugleich zu einer Stärkung des kollektiven Bewusstseins beiträgt. Diese gemeinsame Vision legte den Grundstein für die Projektgruppe IBA Rheinliebe. Das Narrativ «verführte» bald noch weitere Partner* innen: Heute sind es 20 Städte und Gemeinden entlang der Rheinufer von Bad Säckingen (DE) / Stein (CH) bis Bad Bellingen (DE) / Kembs (FR), die gemeinsam in der Projektgruppe IBA Rheinliebe zusammenarbeiten. Die Beschreibung eines gemeinsamen räumlichen Bildes auf der Grundlage charakteristischer Elemente der trinationalen Rheinlandschaft stellte nur einen ersten Projektabschnitt dar. Um diesen spezifischen Landschaftsraum als Freizeitraum zugänglich und damit erlebbar zu machen, mussten und müssen auch in Zukunft gemeinsame Aktionen erfolgen.

Für alle etwas dabei: Ein Massnahmenkatalog mit vielfältigen Gestaltungsvorschlägen

Der trinationale Projektperimeter offenbart kulturelle, institutionelle und juristische Unterschiede im Hinblick auf den Rhein und seine Ufer. Eine der Hauptschwierigkeiten besteht in der Konzeption gemeinsamer Projekte trotz der Unterschiede. Die IBA Basel beauftragte 2017 erneut die Agenturen rabe landschaften und Station C23 mit der Erstellung eines gemeinsamen Massnahmenplans für die Rheinufer in Fortsetzung der ersten Studie aus 2013. In dieser zweiten Phase sollten die verschiedenen Akteur*innen des Gebiets vernetzt und die konkreten Massnahmen festgelegt werden. Der Austausch in der Gruppe ist dabei ein zentrales Element und erfolgte auf verschiedene Weisen: durch eine gemeinsame Studienreise vor Ort, Begegnungen der im Projekt involvierten Partnergemeinden und durch das «Rheinliebe-Date» − Workshops mit allen Projektpartner*innen. Der Massnahmenplan wurde dadurch stark von den Gemeinden mitentwickelt. Ergebnis dieser verschiedenen Aktivitäten ist ein Massnahmenkatalog. Er beinhaltet Gestaltungsvorschläge in verschiedenen Grössenformaten (XS, S, M, L) sowie das Projekt IBA Rheinliebe-Landschaftspark 2030. Die verschiedenen Formate bieten den Gemeinden unabhängig von ihrer Grösse die Möglichkeit, Massnahmen nach ihrem Budget und den jeweiligen Bedingungen vor Ort auszuwählen. Die Teilnahme am Projekt IBA Rheinliebe wird damit für alle möglich. Drei thematische Massnahmenschwerpunkte haben zum Ziel, dass die Bevölkerung die trinationale Rheinlandschaft neu entdecken und bewundern kann. Verschiedene Interventionen wie kleine Aussichtsplattformen, neue Aufenthaltsbereiche, Stelen oder Schaukeln erhöhen den Erlebniswert in der Landschaft. Die verführerische Seite des Rheins wird durch den Zugang zum Wasser mittels Anlegestellen, Stegen, Treppen, Trittsteinen, Kiesstränden etc. aufgewertet. Einheitliche Beschilderungsmassnahmen bilden eine Verbindung und erlauben es den Bewohner*innen, sich einfacher am Fluss zu orientieren und ihn besser kennenzulernen. Um eine abgestimmte Umsetzung der Massnahmen zu gewährleisten und die Zusammenarbeit der Partner*innen in den drei Ländern sichtbar zu machen, ergänzte 2018 ein Gestaltungshandbuch den Massnahmenplan um technische Schemata, Materialvorgaben und Empfehlungen zu den Aufwertungsmassnahmen sowie um Kommunikationselemente. Damit wird ein verbindendes Corporate Design geschaffen, welches der Wiedererkennbarkeit der IBA Rheinliebe-Massnahmen und schlussendlich der Zusammengehörigkeit des gesamten Raums dient. Jede Gemeinde hat so die Möglichkeit, ihre Projekte selbst zu managen und ihre eigenen Gestaltungsverantwortlichen auszuwählen, während die visuelle Kohärenz des Gesamtprojekts insgesamt aber gewahrt bleibt. Somit ist dieses Instrument eine elementare Hilfestellung für die Umsetzung der festgelegten Massnahmen.

Kommunikationsinstrumente zur Stärkung des Zusammengehörigkeitsgefühls und zur Markierung und Sichtbarmachung der Verbindungen

Das türkisfarbene Herz der IBA Rheinliebe ist das prägende Symbol des trinationalen Kooperationsprojekts. Koordiniert von der IBA Basel wurde eine Beschilderung für die Markierung der Verbindungen der Anrainergemeinden in der trinationalen Region konzipiert. Informationstafeln und Bodenmarkierungen führen die Nutzer*innen entlang der Rheinufer. Die einheitliche Beschilderung macht die Zusammenarbeit zwischen den Partner*innen der drei Länder für die Bewohner*innen der trinationalen Region sichtbar und fördert das Gefühl der Zusammengehörigkeit. Seit 2017 lanciert die IBA Basel gemeinsam mit den in der Projektgruppe involvierten Partner*innen die Veranstaltungsbroschüre «Rheinfestival». Diese wird in enger Zusammenarbeit mit den Gemeinden und Fremdenverkehrsbüros der drei Länder erstellt und vereint eine Auswahl von Veranstaltungen, die während der Sommerzeit entlang des Flusses in der trinationalen Region stattfinden. Auf niederschwelliger Basis trägt es somit zur Vermittlung der Rheinliebe- Identität in der Bevölkerung und zur Förderung des touristischen und kulturellen Angebots der Dreiländerregion bei. Die Bevölkerung ist eingeladen, an den Veranstaltungen teilzunehmen und so die Region zu entdecken und die Rheinufer grenzüberschreitend zu erleben. Somit bietet die Broschüre der Bevölkerung die Möglichkeit, sich die Flussufer wieder anzueignen und die Verbindungen zwischen den Ländern zu stärken. Entlang des Rheins wurden zwischenzeitlich viele verschiedene Massnahmen, basierend auf dem gemeinsam entwickelten Massnahmenplan und Gestaltungshandbuch, umgesetzt. Die Errichtung eines grenzüberschreitenden Uferrundwegs, der Bau von Aussichtspunkten oder Stegen oder die kohärente Beschilderung entlang der Ufer: All diese Umsetzungen haben weder denselben Massstab noch denselben Umfang, aber aufgrund ihrer kohärenten Gestaltung prägen sie den etwa 60 Kilometer langen Flussabschnitt. Durch ihre stringente Umsetzung legen sie den Grundstein für die Aufwertung der trinationalen Rheinlandschaft als Gemeinschaftsgut.

Das Projekt IBA Rheinliebe, geprägt von Freiwilligkeit

Die IBA Rheinliebe basiert auf einem breit angelegten Partizipationsprozess mit den verschiedenen Akteur*innen der trinationalen Region. Auf verschiedenen Workshops wurden Kontakte geknüpft, Ideen und Erwartungen ausgetauscht, ergänzt und weiterentwickelt. Zunächst wurden Fragen gestellt und diskutiert: Welche Projekte wünschen wir uns für das Rheinufer? Welches sind die Anknüpfungspunkte? Wie kann die jeweilige Massnahme vor Ort sichtbar und erlebbar werden? Welche langfristigen Ziele verfolgen wir? Die ersten Projekte dienten als treibende Kraft für eine räumliche Gesamtplanung der trinationalen Rheinlandschaft. Die Auflage einer Perimeterkarte für die IBA Rheinliebe bot Raum für gemeinsame Diskussionen am «runden Tisch» und gab zugleich allen involvierten Partner*innen Einblick, in welcher Gemeinde welche Massnahmen umgesetzt werden sollen. So entwickelte sich aus vielen kleinen Projekten eine grosse Vision. Aufgrund der behandelten Themen (Ökologie, Mobilität und Tourismus) kommen sie erst im Zusammenschluss zu ihrer vollen Entfaltung. Mit der Konstituierung der Projektgruppe IBA Rheinliebe förderte die IBA Basel auch die institutionelle und räumliche Vernetzung. Im Jahr 2019 besiegelte eine Zusammenarbeitsvereinbarung das grenzüberschreitende Engagement der Gemeinden, um die koordinierte und konzertierte Entwicklung der einzelnen Projekte voranzutreiben. Es wurde ein gemeinsamer Finanzierungsplan für die Umsetzung von Querschnittsmassnahmen und insbesondere für die Gestaltung von Beschilderungs- und Kommunikationsmassnahmen erstellt. Grosse Planungsprojekte wie die IBA Rheinliebe benötigen von der ersten Idee bis zur definitiven Umsetzung viel Zeit. Daher müssen langfristige Umsetzungen mit kurzfristigen Strategien und sichtbaren Aktionen verknüpft werden. Jede dieser kleinen Massnahmen trägt einen Teil zur Umsetzung des Gesamtprojekts bei. Über die zehnjährige operationelle Phase der IBA Basel hinaus verschreibt sich das Projekt IBA Rheinliebe einer noch längeren Perspektive.

Rheinliebe 2030 − auf dem Weg zum Landschaftspark

Die Grundlagen, um den IBA Rheinliebe-Landschaftspark bis im Jahr 2030 zu realisieren, liegen vor. Auf neue und einzigartige Weise werden die Uferlandschaften, die städtischen Räume und die Hanglagen miteinander verbunden. Der Rhein wird so zu einem Landschaftsraum, der ökologische Funktionalität und Freizeitaktivitäten miteinander verbindet. Man wird auf einem der längsten Wege Europas wandern und Rad fahren können. Auf der Höhe des Départements Haut-Rhin werden schöne Badeplätze Gäste von weither anziehen. Man wird den Fluss mit dem Rad erreichen, ins Wasser springen und schwimmen oder auf einer langen Strecke paddeln können, um dann mit dem Zug zum Ausgangsort zurückzugelangen. Schliesslich wird man nach einer schönen Wanderung zum Hornfelsen (DE) oder auf die Mumpfer Fluh (CH) die herrliche Aussicht auf das trinationale Rheintal geniessen können. Die Hanglagen werden mit den Orten am Flussufer durch Klangspiele und visuelle Elemente in Resonanz treten. 2030 ist die Zusammenarbeit zwischen den Gemeinden und Ländern etabliert, der Rhein prägt die trinationale Region. Dank der vielfältigen, realisierten Aufwertungsprojekte hat sich die trinationale Rheinlandschaft in einen Freizeit- und Naturraum verwandelt – einen von der Bevölkerung geschätzten Landschaftsraum und Identitätsstifter der Region.

Perimeter

Trinationales Gebiet, Rheinufer, ca. 60 km langer Flussabschnitt zwischen Bad Säckingen (DE) / Stein (CH) und Bad Bellingen (DE) / Kembs (FR)

 

Dieser Artikel ist ein Auszug aus der IBA Fachpublikation «Gemeinsam Grenzen überschreiten».